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Klimawandel – gibt es den denn?

Fallback Titelbild

Wie Industrien die Welt einer regelrechten Gehirnwäsche unterwarfen.

Viele junge Menschen sind für die Umwelt auf die Straße gegangen – und werden mit ihrem Protest voraussichtlich auch in den nächsten Monaten und Jahren nicht aufhören – weil sie sich berechtigt große Sorgen um ihre Zukunft machen – und die ihrer Kinder und Kindeskinder.

Und doch gibt es auch Stimmen, die den Klimawandel infrage stellen. Deshalb die Frage: warum gibt es hier keine Eindeutigkeit? Ich empfehle Ihnen, dazu das Buch von Naomi Klein zu lesen. In ihm beschreibt die Autorin, wie vor allem die Industrien Erdöl, Gas und Kohle bereits Ende der 60er Jahre begannen, Institute zu gründen, die den Klimawandel leugneten. Diese Industrien unterwarfen die Welt einer regelrechten Gehirnwäsche. Mit von ihnen bezahlten Wissenschaftlern, gekauften gemeinnützigen Organisationen und Medienvertretern bewirkten sie, dass in den USA heute weniger als 50 Prozent der Menschen noch glauben, dass es überhaupt einen Klimawandel gibt – obwohl 98 Prozent der Wissenschaftler dies belegen können und dafür auf die Straße gehen. Mehr als 15.000 Wissenschaftler aus 184 Ländern unterzeichneten bereits 2017 eine “Warnung an die Menschheit”.1 Allein aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben in diesem Jahr mehr als 12.000 Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen den Appell „Scientists5Future“ unterzeichnet, der die Politik zu mehr Klimaschutzmaßnahmen auffordert.2

Eigentlich war nach der Weltklimakonferenz in Toronto 1988 für die Regierungen der Welt genügend Zeit, fossile Brennstoffe durch nachhaltige Energien zu ersetzen und diese Entscheidungen in die globale Handelsarchitektur einzubinden. Dies ist nicht geschehen. Wesentliche Ursache dafür war der Fall der Mauer 1989, der dem Kapitalismus Tür und Tor öffnete. Bis heute herrscht nun der Wirtschaftsliberalismus, der den Faktor Natur nicht als Teil der Rechnung einbezieht, sondern sich rein am Profit orientiert.

Wenn die Erwärmung von 2 Grad C überschritten wird, liegt es nicht mehr in unserer Kontrolle, wo die Quecksilbersäule stehenbleibt. Dies stammt aus dem Bericht der Weltbank von 2012. Bereits jetzt gehen viele etablierte Klimaanalytiker aber davon aus, dass wir uns auf eine Erwärmung von 4-6 Grad einstellen müssen. Der Klimawandel stellt also eine große Krise dar, die eine Art Marshallplan erfordert. Was wir brauchen ist billiger öffentlicher Nahverkehr, Investitionen in die Infrastruktur, energieeffiziente Sozialwohnungen, die an den Nahverkehr angebunden sind, Radwege und eine nachhaltige Landwirtschaft. Seit 2009 gibt es bereits einen Fahrplan, wie der weltweite Energiebedarf bis zum Jahr 2030 vollständig aus Wind, Wasser und Sonnenenergie gewonnen werden könnte.

Stattdessen erhalten die fossilen Industrien auch heute noch enorme Subventionen und die schnelle Globalisierung der Landwirtschaft wird staatlich noch befördert, was eine der Hauptursachen für den Gesamtanstieg der Treibhausgasemissionen ist. Hinzu kommt das Fracking. Gefracktes Erdgas bewirkt mindestens 30 % höhere Methanemissionen und ist insofern umweltbelastender als Erdöl. Und doch werden jetzt in Deutschland Häfen für Fracking-Gas umgerüstet. Mehr als 15 Millionen Amerikaner leben inzwischen nur eine Meile von einem Brunnen entfernt, der für Fracking genutzt wird. Das wird noch enorme Auswirkungen auf ihre Trinkwasserqualität haben.

Was können wir tun? Wir brauchen eine CO2-Steuer, höhere Lizenzgebühren für die Öl-, Gas- und Kohleförderung sowie die Anwendung des Verursacherprinzips insbesondere für die großen Erdölverbraucher wie die Armee und die Waffenindustrie, die Autohersteller sowie die Schiff- und Fluggesellschaften. Stellen Sie sich vor: hundert Unternehmen sind für mehr als 70 % aller Treibhaus-Gas-Emissionen verantwortlich – und über die Hälfte der Emissionen werden von nur 25 Unternehmen verantwortet. Alle diese Unternehmen haben etwas mit dem Bereich der fossilen Industrien, also Erdöl, Erdgas usw. zu tun.3

Wir brauchen also einen Plan. In den USA gibt es einen Zusammenschluss von Gewerkschaften und Umweltschutzorganisationen mit Namen „BlueGreen Alliance“, die einen Plan vorgelegt hat, wonach bei einer jährlichen Investition von vierzig Milliarden Dollar in öffentliche Verkehrsmittel und Hochgeschwindigkeitszüge über sechs Jahre hin weg mehr als 3,7 Mio Arbeitsplätze entstehen würden. Investitionen in öffentlichen Nahverkehr schaffen 31% mehr Jobs als Investitionen in den Bau neuer Straßen und Brücken, und Investitionen in die Reparatur und den Unterhalt bestehender Straßen und Brücken schaffen 16 % mehr Arbeitsplätze als Investitionen in den Bau neuer Straßen und Brücken.

Wie das bezahlt werden soll? Die etwa 500 Millionen Reichsten auf der Welt sind für ungefähr die Hälfte der globalen Emissionen verantwortlich, weshalb die Besteuerung der Spitze der Einkommen notwendig ist. Weitere Maßnahmen sind die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die Schießung von Steuerparadiesen, die Kürzung der Militärhaushalte und das Auslaufen der Subventionen für die Fossilwirtschaft. Mit diesen Maßnahmen würden über 2 Billionen, also 2000 Milliarden Dollar pro Jahr gewonnen, mit denen die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen vollzogen werden können. Dies ist nur mit einer langfristigen staatlichen Planung möglich, die den Lobbyinteressen die Stirn bietet. Wir brauchen also eine konsequente und ehrliche Umweltpolitik.

So wie das Recht auf Sklaverei abgeschafft wurde, muss nun das Recht auf Ausbeutung der Erde ein Ende nehmen. Statt Macht über andere geht es um Gemeinwohl, statt Hierarchie geht es um Zusammenarbeit, statt Egoismus brauchen wir das Kollektiv. Informieren Sie sich und lesen Sie das Buch von Naomi Klein. Dann wissen Sie, worum es geht.4

1 http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/umweltschutz-15-000-forscher-unterschreiben-warnung-an-die-menschheit-a-1177754.html
2 https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/03/scientists-for-future-klima-schueler-demonstration.html
3 https://www.cdp.net/en/articles/media/new-report-shows-just-100-companies-are-source-of-over-70-of-emissions
4 Naomi Klein, Die Entscheidung, Kapitalismus versus Klima, Frankfurt/Main 2016