Ich werde diesen Tag nie vergessen, an dem ich eine Kollegin aus der Buchhaltung aggressiv anging, weil sie eine Zuarbeit nicht geliefert hatte, die ich jemandem zugesagt hatte. Ich fühlte mich völlig im Recht, äußerst verärgert zu sein, denn ich war davon ausgegangen, dass das klappen würde. Wenige Minuten nach dem von mir in zunehmend aggressivem Ton geführten Telefonat erfuhr ich, dass diese Mithilfe nicht mehr gebraucht wurde. Ich habe mich damals für mich selbst geschämt, weil ich erkannte, dass mein negatives Verhalten meine Kollegin und wahrscheinlich wiederum ihre Kollegin, die ebenfalls Zuarbeit leisten musste, völlig unnötig verletzt hatte. Das war der Tag, an dem ich mir vornahm, mich zu ändern. Ich wollte in Zukunft immer freundlich sein und meine negativen Gefühle nicht mehr an anderen auslassen – selbst wenn ich glaubte, im Recht zu sein.
Dies hat sich sehr bewährt. Weil ich in der Regel höflich, freundlich und oft auch lächelnd auf die Menschen zugehe, kommt dieses positive Gefühl auch zu mir zurück. Gerade auch in Telefonaten kann dies sehr hilfreich sein. Natürlich aber nicht immer. Was mache ich dann? Hier habe ich erst nach und nach meine Lektion gelernt. Bis vor nicht allzu langer Zeit dachte ich, auf Aggression, Beleidigung, Verleumdung oder Unrecht mit sachlichen Argumenten am besten reagieren zu können. Das funktionierte aber oft nicht. In dem Moment, in dem ich der angreifenden Partei widersprach oder ihr nicht zustimmte, steigerte ich ihren Ärger meist noch. Ich erkannte – meist im Nachhinein –, dass es gar nicht wirklich um mich ging, sondern darum, dass mein Gegenüber im Recht zu sein glaubte. Was aber kann man in solchen Momenten tun?
Mein Stand heute ist der, dass ich in solchen Momenten ganz bei mir bleibe. Wenn ich weiter ruhig und freundlich bin, kann mein Gegenüber nicht mehr viel tun. Ich bleibe in meinem Frieden und kann bei Bedarf das Gespräch zu dem betreffenden Thema auch beenden oder auf ein anderes Thema lenken. Wie einfach. Aber man muss ja erst einmal darauf kommen, dass es nicht immer sinnvoll ist, das letzte Wort haben zu wollen – und dass man auch einfach den Raum verlassen kann, um die Situation zu beenden oder zu entschärfen und so miteinander im Frieden zu bleiben.
Frieden
Über den Frieden habe ich viel nachgedacht. Ich habe Geschichte studiert, um durch meine Erkenntnisse politisch wirken und so die Zukunft gestalten zu können. Da der Frieden die Grundlage von Zusammenarbeit und Wohlstand ist, stellte sich immer wieder die Frage, was genau den Frieden bewirkt und woher die Kriege kommen. Dabei ist heute allgemein anerkannt, dass der Frieden zunächst in uns selbst herrschen sollte und dies unser wesentlichster eigener Beitrag zum Erhalt friedlicher Lebensumstände ist. Wie ich eingangs erwähnte, ist es dazu nötig, seine eigenen Aggressionen und negativen Gefühle nicht an anderen auszulassen. Aber wohin dann damit?
Meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe ich in unseren Schulungen vorgeschlagen, dann erst einmal den Raum oder Ort zu verlassen und ein paar Runden um das Haus zu gehen, bis er oder sie wieder freundlich sein kann. Freundlichkeit ist nämlich das, was die Menschen, die um uns sind, von uns erhoffen oder erwarten. Wobei jeder Mensch anders freundlich ist – und das auch ist gut so. Freundlichkeit stellt sich her, wenn wir uns bemühen, konstruktiv zu handeln. Und freundlich ist ein wenig mehr als höflich, weil es von Herzen kommt.
Wie aber kann man den Zustand der Freundlichkeit oder gar der guten Laune herstellen, wenn es gerade gar keinen Grund dafür gibt? In vielen Gesprächen habe ich über die Jahre herausgefunden, dass die meisten Menschen dies, wenn sie das Gefühl herstellen müssen, aus der Erinnerung heraus tun. Sie erinnern sich an eine Begebenheit, die sie freundlich oder gar glücklich gestimmt hat. Diese stellen sie sich dann vor, und ihre Laune verändert sich tatsächlich. Stellen wir uns nun vor, dass vor uns ein extrem verärgerter Kunde oder Nachbar steht. Wir würden ihn nicht beruhigen können, wenn wir ganz fröhlich mit ihm oder ihr sprechen – das würde den Eindruck erwecken, dass wir uns lustig machen oder kein Verständnis aufbringen. Es muss ein ähnlicher Zustand wie der unseres Gegenübers sein – in diesem Falle nur ein ganz klein wenig besser gelaunt als unser Gegenüber, damit wir durch unseren eigenen Beitrag dessen oder deren Laune verbessern können. Im Falle extremer Verärgerung wäre das mindestens eine gerunzelte Stirn oder ein Ausruf wie „Das tut mir aber leid“ oder „Das ist aber ärgerlich“ – aber eben nicht ganz so ärgerlich wie unser Gegenüber. So können wir die Laune unseres Gegenübers langsam hochziehen. Habe einfach Mitgefühl – das entwaffnet.
Wie also versetzen wir uns jeweils in einen Zustand, in dem wir selbst gar nicht sind, der aber unserem Gesprächspartner gegenüber angemessen ist? Mein Vorschlag: durch Erinnerung, z. B., dass wir dann daran denken, wie uns im Wald plötzlich unser Auto stehengeblieben ist. Oder z. B. durch eine Vorstellung, dass wir bei einem Termin einfach versetzt wurden. Durch entsprechende Übungen ist es möglich, wie in einem Fahrstuhl von tief traurig bis euphorisch hoch- und wieder herunterzufahren, und das in Minutenschnelle.
Akzeptanz
Wesentlich schwieriger ist es, auf Dauer in einem friedlichen Zustand zu bleiben. Es gibt meist vieles, was uns verärgert oder quält. Wir haben selbst so viele Wünsche, Ansprüche, Träume, so viel Verlangen und unsere eigenen Ziele – und da gibt es so viele Hindernisse und so viele Menschen, die nicht das tun, was wir uns von ihnen wünschen. In all diesen Fällen ist Akzeptanz gefragt. Das zu akzeptieren, was wir nicht ändern können, und damit selbst im Frieden zu sein. Als mir dies vor Jahren in einem Seminar vorgeschlagen wurde und ich dazu ein Bild malen sollte, malte ich ein großes Feuer. Ich erinnere mich noch heute daran. Ich verbrannte bei der Vorstellung, dass ich all das akzeptieren sollte, was um mich herum mein Leben bestimmte. Das Feuer hat mir geholfen. So schmerzhaft und schrecklich die Vorstellung in diesem Moment war, ich kam nach und nach – damit meine ich in den nächsten Stunden, Monaten und Jahren – in Frieden mit dem, was mein Leben ausmacht. Wie gut das war und wie beruhigend. Es geht nicht nur um die rationale Erkenntnis, dass man das, was das eigene Leben ausmacht, nicht einfach ändern kann, sondern darum, sein Leben so, wie es ist, zu umarmen und in Liebe damit umzugehen.
Mit Sicherheit ist es dazu nötig, sich selbst so anzunehmen, wie man nun einmal ist, und genauso sicher ist es, dass man Mitgefühl mit den anderen haben muss, so, wie sie sind. Und es kann sein, dass wir uns im Verzeihen üben müssen.
Verzeihen und Dankbarkeit
Vermutlich kann man dem oder der anderen nur verzeihen, wenn diese Person zeigt, dass ihr bewusst ist, Unrecht getan oder Schmerzen zugefügt zu haben – und sich vielleicht sogar entschuldigt. Aber das ist nicht immer möglich. Was tut man in solch einem Fall?
In solch einem Fall können wir Dankbarkeit üben. Dankbarkeit dafür, dass es diese Person gibt, dafür, dass sie uns wichtige Erkenntnisse über uns selbst und das Leben schenkt. Dankbarkeit für das Leben selbst. Dankbarkeit ist eigentlich immer möglich, und Dankbarkeit hilft, bescheiden und freundlich zu bleiben, auch wenn es dafür keinen Grund gibt. Je mehr Dankbarkeit wir praktizieren, desto mehr schenkt uns das Leben. Denn dann, endlich, werden wir die Geschenke des Lebens erkennen können. Dankbar sein, dass wir etwas zu essen haben, dass wir einen Ruheplatz finden, für ein Lächeln der Nachbarin, so einfach ist das. Und so können wir auch dankbar für die Erfahrung mit den Menschen sein, die uns Schmerzen zufügten und sich nicht dafür entschuldigten. Dankbar dafür, dass wir jetzt erkennen, wie sehr sie uns verletzten. Dass dadurch der erste Schritt zur Befreiung von diesen Schmerzen erfolgt ist und der nächste Schritt Akzeptanz sein kann, das eigene Leben so anzunehmen, wie es ist.
Freiheit
Die Befreiung von solchen quälenden Erfahrungen hat viel mit Freiheit zu tun. Je freier wir von Vorurteilen, Belastungen, quälenden Gedanken und Gefühlen sind, desto freier können wir der Welt und unserer Zukunft begegnen. Wir alle können mit diesem Wort Freiheit auch etwas anfangen, weil der Drang nach Freiheit uns allen immanent ist. Das sieht man bereits bei den Kindern, die zu laufen beginnen – sie möchten ihre eigenen Wege laufen und ihre eigenen Erfahrungen machen. Eltern sind gut beraten, das zu akzeptieren und ihnen dabei zu helfen. Und auch die Tiere suchen die Freiheit … außer solchen, die die Freiheit gar nicht kennenlernen konnten oder in der Freiheit nicht überleben können. Sie bleiben in ihrer Gefangenschaft oder kommen wieder in sie zurück.
Eifersucht
Du bist in meinem Herzen eingehüllt
Ich fühle jede Zelle, die dich fühlt
Mein Körper ist erregt und aufgewühlt
Oh, Du mein Liebster, mein Gefühl!
Nun hat Dich eine andere in ihren Bann gezogen
Und ein paar Tage hast Du mich mit ihr betrogen
Und nun enthüllt, dass Du bis jetzt gelogen.
Erst war es nur der Schmerz der eigenen Kränkung
Der Stunden, die Du ohne mich mit ihr verbrachtest
Der Leidenschaft, die du dir hemmungslos verschafftest.
Dann kam der Neid auf etwas, was Du hast und ich nicht habe
Das Ausgeschlossensein von etwas, das Dir Freude macht
Die Mißgunst, Deinen Spaß betreffend ohne mich.
Ich möchte gerne alle Deine Lust mir pachten
Sie soll nur mir gehören
Ja, ich möchte Dich entmachten.
Normalerweise bin ich generös und nett
Doch das hört auf mit einer anderen im Bett
Weil hier der Staat mir auch zur Seite steht
Denn schließlich sind wir doch verheiratet.
Ich, die ich sonst unkonventionell
Poche jetzt auf Konventionen
Meine Ehre scheint mir schon zerronnen
Zum Gespött der ganzen Stadt verkommen!
Hörte ich doch auf zu existieren
Könnte somit nichts verlieren
Lebte ich doch mit den Tieren
Bewegte mich auf allen Vieren
Meine beiden Beine sind zu wenig, diese Last zu führen
Die mich niederwirft
Oh, könntest Du sie spüren!
Du, der ruchlos mich in diese Lage brachte
Die in Sekunden mich zu einem Opfer machte
Das nun um seine Zukunft bangen muss
Verlassen, ungeliebt und voll Verdruss
nur noch an das eine denkt: oh wär doch Schluss
Schluss mit Schmerz und Schluss mit Angst
von denen nur der weiß, der um Leib und Leben bangt.
Du sagtest mir, da sei gar nichts zu fürchten
Du sagst, Du seist doch nur verliebt
Beschreibst sie mit verzückten Augen
So dass mir dies noch sehr viel mehr zu denken gibt.
Ich will nicht, dass Du Dich an eine andere verschwendest
Ich will Dich ganz, Du sollst nur mir gehören
Die andere, die will mein Bestes jetzt für sich betören
So dass Du Dich zum Schluss nur noch für sie verwendest.
Ich aber bliebe ganz allein und ausgeraubt
Betrogen um des Lebens Mittelpunkt.
Ich bin am Ende, ohne Grund.
Denn warum habe ich sie denn so ausgeschlossen
Die neue Liebe, die du da verspürst?
Warum die Frau verstoßen, die dich so sehr rührt?
Warum hab‘ ich sie nicht auch in mein Herz geschlossen
Wenn sie Dir doch so wichtig ist?
Woher die Todesangst, seit dies geschah?
Ich, die ich sonst so furchtlos bin
bin eine Memme, die vor jeder Regung zittert
werde dabei ganz und gar verbittert
und möchte gerne Wut auf diese Frau verspüren.
Doch sollte einzig Wut auf meinen Mann mich rühren.
Wie kann ich aber böse sein, wenn da sein Herzblut spricht?
Wie soll das denn nun alles enden?
Wird sich das Blatt denn noch zum Guten wenden?
Oh, trage mich auf Deinen Händen
Oh schenke mir doch Deine Lenden
Statt sie mit einer anderen zu verschwenden!
Du sagst, dass Leben so nicht ehrlich ist
Du sagst, dass Du nicht mein Besitztum bist
Und mein Verhalten Dich von mir entfernt
Weil ich nur auf Verständnis von der einen Seite poche
Und gar nicht gebe, was Du jetzt so dringend brauchst
Verständnis, Rückendeckung, Wärme.
Stattdessen habe ich mich gleich von Dir entfernt
Dich gar zur Scheidung aufgerufen
Die Trennung proklamiert
Das Auseinandergehen
Und Dich verstoßen.
Du hast ja recht.
Und ich bin ratlos.
Den meisten Menschen flößt ihre eigene Freiheit Angst ein. Allein die Vorstellung, dass sie eigentlich alles tun könnten, was sie wollen, erschreckt sie zu Tode. Das zu verlassen, was man kennt, diese Sicherheit zu verlieren, wollen die meisten Menschen spontan nicht. Dem Menschen, den man liebt, die Freiheit zu geben, wollen die meisten Menschen mindestens genauso wenig. Welch ein Konflikt! Ich habe dazu ein Gedicht geschrieben.
Ich beschreibe hier meine Sehnsucht nach Freiheit – sowohl nach Freiheit für mich als auch für die, die ich liebe –, doch es gelingt mir nicht. Darüber habe ich sehr viel nachgedacht. Es gibt diesen unmittelbaren Reflex, diesen Instinkt, den Partner, den Ehepartner für sich zu haben. Dieser Reflex hat eine reale Grundlage, und die hat mit der Fortpflanzung zu tun. In unserer jetzigen westlichen Gesellschaft werden die Kinder in der Regel in einer Partnerschaft gezeugt und großgezogen. Dieser Prozess dauert mindestens 18 Jahre lang bis zur Volljährigkeit des Kindes. Die Partnerschaft ist somit auf Dauer ausgelegt, und ihr Ergebnis ist eine Familie. Diese Familie kann anstrengend, aber auch sehr beglückend sein, und ist immer noch das Ideal der Mehrheit unserer Menschen.
Wenn aber der Partner oder die Partnerin nach einem anderen Menschen zwecks sexuellem Kontakt Ausschau hält bzw. einen sexuellen Akt vollzieht, besteht die Gefahr der Zeugung eines Kindes. Hier gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen Mann und Frau. Die Frau kann in unserer Gesellschaft selbst entscheiden, wie sie in dieser Lage handelt. Es ist ihr erlaubt, die Schwangerschaft abzubrechen. Der Mann aber hat darauf auch rechtlich keinen Einfluss. Insofern begibt sich jeder Mann jederzeit in die Willkür einer Frau, denn keine Empfängnisverhütung ist einhundert Prozent sicher und niemandem auf der Welt kann man jederzeit vollständig vertrauen. Das sollten sich die Frauen einmal klarmachen. Da es biologisch so angelegt ist, dass sich Mann und Frau instinktiv die Menschen zum Geschlechtsverkehr wählen, die die besten Voraussetzungen für einen gesunden Nachwuchs gewähren, ist ein sexueller Akt für einen Mann – wenn er nicht gerade ungebildet, ungezügelt oder benebelt ist – ein Akt des Vertrauens.
Diese Zusammenhänge machen andererseits aber deutlich, wie viel mehr Ängste Frauen haben müssen, deren Mann fremdgeht. Sie haben überhaupt keinen Einfluss auf das Geschehen und müssen im extremsten Fall mit zusätzlichem Nachwuchs rechnen, auf den sie erstens keinen Einfluss haben, der ihnen aber zweitens gravierende finanzielle Einbußen bringen wird, da der Mann Alimente zahlen muss.
Dies alles schreibe ich als Erklärung meiner Zerrissenheit, schwankend zwischen meinem Anspruch auf Freiheit und meiner damit verbundenen Existenzangst. Dazu habe ich einen Text gefunden, den ich vor einigen Jahren schrieb und der mich als Kind meiner Zeit beschreibt. Ich war zu dieser Zeit, als ich den Text schrieb, eine Nach-1968erin, eine der letzten, die vermittelt über ältere Freunde, noch diesen Anspruch auf Freiheit kennenlernte, der damals modern war. Ich bin gleichzeitig ein Mädchen aus dem Dorf, das ganz konventionell einfach nur glücklich sein möchte. Diesen Konflikt habe ich im Jahr 2008 beschrieben, und ich nannte ihn „Frieden und Freiheit“. Ich schrieb ihn in der dritten Person, vielleicht, um mir selbst erst einmal Klarheit zu verschaffen, welchen Standpunkt ich zu dieser Zeit der Niederschrift eigentlich hatte.
Sie war in einer Zeit geboren, in der sich alles wandelte. Alles wurde infrage gestellt. Die Freiheit wurde großgeschrieben.
Sie war irritiert und verunsichert. Bis dahin hatte sie gewusst, was sie wollte – nun wurde es angezweifelt und sie sah plötzlich altmodisch aus. Das wollte sie nicht.
Heute weiß sie, dass sie ihre Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse unterdrückte. Damals wurde sie still. Sie protestierte nicht gegen das, was ihr wehtat, weil es im Namen der Freiheit geschah – ihr geschah. Nicht, dass sie sich als Opfer fühlte – eher als Verzichtende. Und mit der Zeit hatte sie ihre Wünsche vergessen und lebte die neuen Ideen von Freiheit, die sie nicht glücklich machten – aber frei.
Ihr Leben war abwechslungsreich, erregend und voller Konflikte. Sie lernte, sich durchzusetzen und Reden zu halten. Das dominante Freiheitsdenken bestimmte ihr Leben für Jahrzehnte. Sie, die sich Treue wünschte, war untreu. Sie, die Familie wollte, zerstörte Familie. Bis sie es merkte. Es war ein Prozess.
Ihr Wille, sich anzupassen, versiegte. Es war eine Wohltat, nicht gegen sich selbst zu kämpfen. Einfach sein, sein lassen, ruhen. Genießen. Liebe. Treue. Familie. Verantwortung. Frieden.
Vielleicht schrieb ich diesen Text in der dritten Person, weil ich zwar die Erkenntnis meiner Lage hatte, aber noch nicht frei war, so zu leben, wie ich es mir wünschte. Vielleicht war mir noch nicht einmal bewusst, dass ich es war, die ich beschrieb. Ich objektivierte eine objektive Lage.
Das uneingeschränkte Bekenntnis zu Liebe, Verlässlichkeit, Treue, Ehe und Familie hat mich befreit. Es gibt mir die Sicherheit, die ich brauche, um ein zuverlässiger, beständiger, langfristig planender Mensch zu sein. Und doch möchte ich es auch nicht missen, für viele Jahre in die andere Welt der Freiheit eingetaucht zu sein. Es war meine Zeit, es war mein Schicksal. Die Herausforderungen und die Möglichkeiten eines freien Lebens sind vielfältig und verlockend. Als experimentierfreudige und Wahrheit suchende Person brauche ich in gewissem Maße auch immer Versuch und Irrtum, denn dies ermöglicht mir eine tiefe Glaubwürdigkeit mir selbst und anderen gegenüber. Doch nun ist es genug.
Die wahre Geschichte eines Mannes, der als Teenager zwei Jahre lang ein zwei Jahre jüngeres Mädchen liebte, die dann starb, hat mich sehr berührt. Diese Geschichte stammt aus einer Welt, die wir heute noch liebevoll „die indianische Welt“ nennen, und da er auch so lebte, wie wir von „Indianern“ wissen, war es ihm möglich, sein ganzes Leben lang auf dem Grab seines geliebten Mädchens zu schlafen. Bis er dazu zu alt geworden war und in sein Haus wechselte. Als ich vor einigen Jahren von seiner Geschichte erfuhr, war ich zu Tränen gerührt und erkannte, dass dies eigentlich auch mein Traum von Treue und Liebe ist.
Ich schrieb viele Gedicht und Kurzgeschichten über die „Liebe vor der Zeitenwende“ und dachte, dass die Eifersucht, Angst, Beschränkung, Einengung, die ich beschrieb, einmal dadurch beseitigt würde, dass es die freie Liebe gäbe. Dies hat sich nur für eine kleine Gruppe von Menschen bewahrheitet, die polyamorös genannt wird. Und ich denke inzwischen nach all dem, was ich erlebt habe, dass die Zeitenwende darin bestehen wird, der Familie und mit ihr der Verlässlichkeit und Sicherheit wieder eine wichtigere Rolle zuzuschreiben – als Mittel und Weg gegen die Unsicherheit, Individualisierung und Einsamkeit. Wobei Familie vieles bedeuten kann. Auch jetzt ist sie ja immer ein Zusammenkommen von mindestens zwei Blutlinien. Ich denke aber auch, dass es sich bei der neuen Qualität von Familie eben nicht mehr um Konvention und Freiheitsberaubung, sondern um Überzeugung und Liebe handeln wird.
Wer erleben durfte, wie schön es ist, Kinder in die Welt zu bringen und sie in ihrer Unschuld und Freundlichkeit, ihrer Neugierde und ihrem Freiheitsdrang aufwachsen zu sehen, kann am besten nachvollziehen, über welches Glück ich gerade schreibe. Kinder schenken vollkommene Momente, ohne etwas dafür tun zu müssen, einfach durch ihre freie Natur. Ihnen in ihrer Entwicklung Nahrung und Sicherheit geben zu können, Führung und Hilfe, ist ein sehr großes Geschenk, welches hilft, das eigene Ego zu formen und wachsen zu lassen und so zu der eigenen Größe zu gelangen, die es ausmacht, ein Mensch zu sein.
Natur
Was macht es aus, ein Mensch zu sein? Als Erstes und Oberstes sind wir Naturwesen, eine Tatsache, die in unserer heutigen Zeit fast vollständig ignoriert wird, zumindest in unserer westlichen Wertewelt. Wir sind seit unserer Zeugung ein Produkt der Natur, bestehen vollständig aus Natur (bis uns die Medizin etwas einbaut, versteht sichJ), und enden in der Natur. Wir werden maßgeblich von Hormonen gesteuert und gegen einige dieser Hormone sind wir bis heute machtlos, wenn sie über uns kommen.
Wir sind ein Teil der Natur, und die Tiere und Pflanzen sind unsere Brüder und Schwestern. Wie behandeln wir sie? In der Welt der Naturvölker ist alles, was wir auf der Welt sehen können, Natur, die Steine, das Feuer, der Wind, die Wolken. Die Steine sind unsere Großväter, weil sie die Ältesten auf der Erde sind. Die Erde ist Mutter Erde und unsere Mutter, die wir pflegen, hegen und verwöhnen, für die wir sorgen sollten, so wie sie für uns und unser Leben sorgt. Der Himmel ist unser Vater. So sagt es die Weltanschauung der Ana-Coosa, eines Stammes der Muscogee Nation aus den USA. Mutter Erde gebärt in jeder Sekunde, und wie sich bei einer Geburt geziemt, sollten wir vorsichtig und respektvoll auf der Erde wandeln.
Unser Verhältnis zu und unser Verhalten in der Natur ist die Grundlage für Frieden. Wie behandeln wir Mutter Erde? Übersäen wir sie mit Bomben, vergiften sie, bohren in ihr und entledigen wir sie ihrer Flüssigkeiten und Mineralien? Oder gehen wir sorgsam mit ihren Schätzen und Gaben um und streben danach, ihr das zurückzugeben, was wir von ihr erhalten, vielleicht in anderer Form, aber doch voller Respekt für das, was sie uns schenkt? Ähnlich verhält es sich mit dem, was über der Erde und um sie herum existiert. Beschäftigen wir uns in Harmonie und Ausgleich mit dem Wetter oder suchen wir, in der Ideologie der Gegnerschaft befangen, danach, es zu beherrschen und zu manipulieren? Welche Auswirkungen hat eine solche Einflussnahme, die ohne Absprache mit den Bewohnern dieser Erde geschieht, auf das Leben auf der Erde? Was tun wir im Weltall? Jetzt schon ist es verschmutzt, und täglich wird es mehr zu einem Raum für Müllentsorgung. Wie viele Objekte fliegen dort schon und welchen Zweck verfolgen sie bzw. ihre Lenker und Lenkerinnen? Sollten wir darüber nicht alles wissen?
Frieden
Frieden verlangt Einklang. Das kennen wir aus der Musik. Wir wissen, welche Musik uns friedlich stimmt und welche nicht. Derzeit ist „Einklang“ ein exotisches Wort. Es gibt Bereiche, wo Einklang notwendig ist, um Ziele zu erreichen, und wir lieben diese Bereiche und ihre Produkte. Doch gibt es zurzeit in der Welt viel mehr Bereiche, in denen kein Frieden herrscht. Dies ist auch logisch, denn zunächst muss man Frieden wollen, um Frieden zu erreichen. Frieden erfordert Zusammenarbeit. Denken wir an die Musik oder den Sport oder auch an wissenschaftliche oder ökonomische Ergebnisse. Nur im Frieden lässt sich ein Haus bauen, ein Möbelstück fertigen, eine Straße reinigen oder ein neues Produkt herstellen. Und es ist eine unübersehbare Tatsache, dass fast alle Menschen Frieden wollen und brauchen.
Der Unfrieden stammt also von wenigen Menschen her, denen, die Unfrieden brauchen, um sich selbst zu bereichern. Der Unfrieden macht manche reich und mächtig. Dies zu erkennen ist eigentlich einfach, dies zu benennen schon schwieriger. Denn diese Wenigen tun alles, um den Vielen das Bild zu vernebeln und vor allem diese Vielen gegeneinander aufzubringen. Je mehr die Vielen sich bekriegen, mit oder ohne Gewalt, desto mehr sind sie mit sich beschäftigt und haben keine Zeit, sich die Welt um sie herum anzuschauen. Je mehr Unfrieden, desto weniger erkennen die Menschen das Glück der Zusammenarbeit, der gegenseitigen Unterstützung, der Harmonie und des Friedens. Der Individualismus, der Zerfall der Familie, die Kinderlosigkeit und teilweise Kinderfeindlichkeit unserer Gesellschaft, die Einsamkeit, der Selbstmord und alle damit verbundenen Ideologien sind Ausdruck davon.
Sollte es also so einfach sein? Miteinander reden und sich zu verstehen suchen? Miteinander arbeiten und die besten Ergebnisse zu erzielen suchen. Miteinander Ideen und Konzepte entwickeln. Miteinander und nicht gegeneinander Kräfte messen und voneinander lernen. All das ist Teil der menschlichen Natur.
Finden wir wieder zusammen und schauen wir genau, was in der Welt geschieht, mit eigenen Augen und nicht durch die Filter von Medien, die inzwischen ganz offensichtlich ideologisch gesteuert sind. Suchen wir unsere eigene Weltsicht, die uns Frieden bringt und den Krieg überwinden hilft.