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Gemeinsames Denken ermöglichen

Kübra Gümüsays Buch „Sprache und Sein“ regt zu einer friedlichen Welt des Miteinanders an.

Der Verlust eines offenen Meinungsstreits ist für mich das Schlimmste, was uns passiert ist. Vielfach darf man abweichende Meinungen nicht mehr äußern, wenn man nicht mit negativen Konsequenzen rechnen will. Konsequenzen, die bedeuten, dass man verachtet, beschimpft, ausgestoßen wird oder schlimmstenfalls seinen Arbeitsplatz oder seine Arbeitsperspektive verliert.

Wir brauchen Dialog

Der Graben, der sich durch unsere Gesellschaft zieht, das Miteinander zerstört, lässt sich nicht durch Schwarzweiß-Denken, durch Politik und Medien vollzogene Kategorisieren in Konform und Nichtkonform, in Gut und Böse, in Befürworter und Leugner überwinden. Was wir brauchen ist Dialog. Wir müssen wieder miteinander reden. Und einander unvoreingenommen zuhören.

Mit ihrem bei Hanser Berlin erschienenen Buch „Sprache und Sein“ hat die Deutsch-Türkin der dritten Generation, Kübra Gümüsay, dafür einen wichtigen Beitrag geleistet. Die in Hamburg lebende praktizierende Muslimin und studierte Politikwissenschaftlerin eröffnete 2008 den Blog Fremdwörterbuch zu gesellschaftlichen und politischen Themen und betätigte sich in den folgenden Jahren als Bloggerin, Journalistin und Moderatorin. In ihrem Buch „Sprache und Sein“ fließen ihre zahlreichen Erfahrungen insbesondere aus dem Bereich der Integration ausländischer Menschen in Deutschland ein.

Die Lektüre vermittelt ihre Erfahrungen mit ihrer türkischen Kultur und Erziehung. Sie beschäftigt sich auch mit den in Deutschland erlebten Haltungen und Reaktionen auf ihr Kopftuch. Das trägt sie als Gläubige ganz selbstverständlich und es ist bis heute ein dominantes Thema für die Betroffenen wie auch ihre Umwelt.

Kübra Gümüsay setzt sich in ihrem Werk „Sprache und Sein“ damit auseinander, wie Sprache das Sein und wie Sein die Sprache bestimmt. „Menschen so zu bezeichnen, wie sie bezeichnet werden wollen, ist keine Frage der Höflichkeit, auch kein Symbol politischer Korrektheit oder einer progressiven Haltung – es ist einfach eine Frage des menschlichen Anstands“, schreibt sie auf Seite 49. In ihrem Buch geht es aber auch um Haltung derer, die in einer Gesellschaft dominieren und derer, die aufgrund ihrer Andersartigkeit von der herrschenden Kultur definiert, einkategorisiert, in Gruppen eingeordnet werden, ob sie das wollen oder nicht. Sie können meist nicht einfach sie selbst sein, ohne sich erklären zu müssen. Die Autorin beschreibt dies sehr anschaulich.

Ohne Besserwisserei

Mit ihrem Buch begibt sich Kübra Gümüsay auf die Suche nach der Freiheit: Sprechen, um zu sein. „Ob wir nun verstanden werden können oder nicht: Wenn wir nicht mehr mit den Augen der anderen auf uns selbst blicken, dann sind wir frei“, stellt sie auf Seite 162 fest. Aber diese Freiheit soll geteilt werden. Alle sollen nach ihrer Vorstellung gleichberechtigt und frei miteinander sprechen. Das setzt zweierlei voraus: dass „keine Perspektive über eine andere herrscht“ (Seite 166) und dass es Orte gibt, „an denen wir denken können – nicht um zu demonstrieren, wie toll wir sind und wie viel wir wissen, sondern wie viel wir nicht wissen, aber erörtern möchten“ (Seite 176).

Laut Kübra Gümüsay setzt diese von ihr angestrebte Freiheit voraus, dass allen das freie Denken und Sprechen zugestanden wird, dass wir Fehler machen und uns entwickeln dürfen, ohne Besserwisserei und Anschuldigungen. „Wenn wir gemeinsames Denken ermöglichen möchten, so müssen wir lernen, einander Entwicklung zuzugestehen“, meint die Autorin auf Seite 181.

Ich kann dieses Buch als Inspiration für eine friedliche Welt des Miteinanders unbedingt empfehlen.

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