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Leben und leben lassen

Marion Schneider zu Besuch in Indien

Meine Reise nach Indien – Februar 2024

Wir in Deutschland wissen nicht viel über Indien. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass Inder mehr über Deutschland wissen als umgekehrt. Da gibt es Max Müller, ein bedeutender Indologe aus  dem 19. Jahrhundert aus Deutschland, der hier großes Ansehen genießt. Nach ihm ist das Goethe-Institut in Indien benannt. Da sind die Automarken Mercedes, BWM und da ist Siemens, von dem viele bereits annehmen, dass es eine indische Firma ist.

„Deutschland hat einen guten Ruf hier, und ich hoffe sehr, dass wir diesen auch in der Zukunft erhalten können.”

Deutschland hat einen guten Ruf hier, und ich hoffe sehr, dass wir diesen auch in der Zukunft erhalten können. Deutsche Qualität und deutsche Facharbeit werden sehr geschätzt. Leider machen wir es den Indern sehr schwer, nach Deutschland zu kommen. Das Ausstellen eines Visums ist ein Glücksspiel. Ich weiß von etlichen Fällen, bei denen das Visum nicht rechtzeitig kam, und die Betroffenen nicht auf eine wichtige Messe reisen konnten, wo sie ihr Land in Deutschland vertreten oder wichtige Geschäfte machen konnten. Ich war auch schon in der Deutschen Botschaft in Delhi, musste trotz Termins in gefängnisähnlichen Räumen warten und wurde nicht sehr freundlich behandelt. Da nutzte es nichts, dass ich Deutsche war.

Lokaler Tourismus

Indien hat mittlerweile die größte Bevölkerung und das fünftgrößte Bruttosozialprodukt der Welt. Darauf ist die Bevölkerung stolz. Es gibt gerade eine Initiative der Regierung, möglichst alle Arbeitskräfte im Land zu halten, weil sie gebraucht werden. Dazu entwickelt man den lokalen Tourismus im ganzen Land, so dass die Bevölkerung ihr eigenes und sehr verschiedenes Land kennenlernt.

Salzgöttin von Sambhar.
Fotos (4): Marion Schneider

Indien hat über 20 Amtssprachen und über 200 anerkannte Sprachen, ganz abgesehen von lokalen Dialekten. Im Norden ist es kalt – man denke an den Himalaya – und im Süden heiß. Es gibt Teile des Landes, wo es nie regnet und es gibt Bezirke, wo der Aufenthalt außerhalb von Gebäuden während des Monsuns lebensgefährlich werden kann. So heftig regnet und stürmt es dann. Regional unterschiedlich gibt es Tiger, Leoparden und Affen genauso wie Regenwald und tropische Früchte.

Seit über 15 Jahren besuche ich Indien.

Indische Armut

Wir lesen und hören viel über die indische Armut. In den über 15 Jahren, die ich Indien besuche, habe ich sie kennengelernt. Doch durch die in Indien herrschende Spiritualität und Gottesfürchtigkeit leben die Menschen in der Regel friedlich zusammen und gehen liebe- und respektvoll miteinander um. Leben und leben lassen.

Ich möchte nun über die enormen Fortschritte berichten, die ich in den letzten 15 Jahren erleben durfte. Da ist die Frage von Müll und Umwelt. 2009, als ich das erste Mal in Goa war, erstickte dieses schon damals vom Tourismus lebende Land im Müll. Müll lag einfach überall und niemand schien ihn wegzuräumen oder sich daran zu stören. Für mich als Deutsche war es teilweise ekelerregend. Über die Jahre konnte ich nun erleben, wie Goa sauber wurde. Heute gibt es nur noch ganz wenige Müllhaufen. Die geregelte Müllanfuhr und Reinigung der Straßenränder ist entwickelt worden und die Menschen verhalten sich nachhaltig. Dieses Thema Nachhaltigkeit ist überhaupt in ganz Indien zu einem zentralen Anliegen geworden, das von der Regierung  bei allen Gelegenheiten propagiert wird. Natürlich lohnen sich einem großen Land große Projekte besonders. Staudämme, Solaranlagen, Elektrofahrzeuge werden als Pionierprojekte in der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Premierminister Modi propagiert Kongresse und Initiativen zu diesem Thema in der Regel mit seinem Portrait auf den Werbetafeln und in den Zeitungen.

Weihnachten in Goa

Modi überall

Premierminister Modi – das ist ein besonderes Thema. Als ich aus meinem Hotelfenster schaute, sah ich ihn in Delhi gleich viermal. In Indien sieht man ihn überall, und ich denke millionenfach, sein Portrait zeigt seine Unterstützung und seine Unterstützung ist überall zu finden. Er besucht die kleinen Dörfer, ermutigt die Frauen, die Studenten, die Schüler, und hat sogar ein Joga-Buch für Schüler geschrieben, das beschreibt, wie man besser leben und lernen kann. Er möchte der Präsident aller Inder sein, Hindus (600 Millionen), Moslems (300 Millionen) und aller anderen religiösen Gruppen. Gerade hat er einen Hindutempel in den VAE eingeweiht und wurde dazu am Flughafen von Abu Dhabi mit einer herzlichen Umarmung von Scheich Muhammad bin Zayid Al Nahyan selbst begrüßt, der das Land für den Hindutempel zur Verfügung stellte. Acht verschiedene Handelsabkommen wurden in den letzten Tagen gemeinsam abgeschlossen.

Schmerzhafte Spuren

Die Spaltung von Indien und Pakistan und danach auch von Bangladesch hat bis heute schmerzhafte Spuren hinterlassen. Millionen Menschen wurden aus ihren angestammten Regionen und Gebieten vertrieben und die Armut und Gewalt in Pakistan macht den Indern viel zu schaffen. Was ich bedauere, ist die Tatsache, dass die meisten Inder sich nun damit abgefunden haben, Aber dadurch auch keinerlei Initiative besteht, den Nachbarn zu helfen. Es scheint unter den gegebenen Umständen fast nicht möglich zu sein – obwohl Modi und Sharif, die beiden Staatsoberhaupte, im Jahr 2015 zusammen Weihnachten verbrachten – eine Tatsache, die Hoffnung macht. Auch zu China sind die Beziehungen gespannt. Was 1961 mit Tibet geschah, hat die Grenzbeziehungen zwischen den beiden Ländern fast zum Erliegen gebracht.

Es geht bergauf

In Indien geht es bergauf. Das ist überall zu sehen. Der Schmutz verschwindet von den Straßen. Grünanlagen werden neu erschaffen, Toiletten kostenfrei im ganzen Land aufgestellt und es wird enorm in die Bildung investiert. Die Ausbildungsstätten für Medizinstudenten haben sich fast verzehnfacht. Die besten Studenten (mit dem Ergebnis 100 Prozent) werden auf der ersten Seite der Indian Times erwähnt, überall neue Schulen und Universitäten errichtet. Dabei arbeitet man an einem Qualitätsmanagement und einer einheitlichen Leistungsbewertung der Schulen und Universitäten landesweit.

Neugebaute Ayurveda-Klinik

Bauernproteste

Jüngste Aufregung entsteht durch die Bauernproteste. Die Bauern kämpfen für eine landesweite Rente. Dies steht aber im Widerspruch zu der Tatsache, dass sie bisher keine Steuern zahlen. Sie sind nun inspiriert von den Bauernprotesten in anderen Ländern aufgebrochen, um in Delhi ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Doch an fast allen Grenzen wurden Betonblöcke und andere Straßensperren aufgebaut und Tausende Polizisten warten auf sie, um sie von einem Weitermarsch abzuhalten. Spezielle Gefängnisse in Form von Stadien sind errichtet worden, denn bisher waren die Verhandlungen nicht mit Erfolg gekrönt. Man kann hier nur wünschen, dass bald Lösungen gefunden werden.

Plan für die nächsten tausend Jahre

Im April/Mai 2024 sind Wahlen. Das ganze Land ist in Vorbereitungen darauf. Modi proklamierte einen Plan für die nächsten tausend Jahre und geht nicht nur davon aus, dass er die meisten Parlamentssitze bekommt, sondern dass seine Koalition auch die Mehrheit erringen wird. Seine wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Erfolge könnten dafür eine Basis sein. Die ganze Welt um Modi schaut mit Bewunderung auf Indien. Schauen wir weiter. Die politische, kulturelle und soziale Diversität (viele Menschen sprechen z.B. zwei Sprache) sorgt dafür, dass Arroganz, Überheblichkeit, Anmaßung und Größenwahn hier nicht anzutreffen sind – wenigstens habe ich solche Anwandlungen noch nicht erlebt.